Bild: Bundesarchiv, Bild 133-075 / Unknown / CC-BY-SA 3.0
Auszug aus dem Audiobook "Der Geführte - Ausländische Geheimdienste im Dritten Reich"
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Die moderne Verschwörungsliteratur begann in den 1790er Jahren als großangelegte Kampagne aus Welfenkreisen, um die Rolle der Welfen-Geheimdienste bei der Französischen Revolution wenige Jahre zuvor zu verschleiern. Die frühen Werke der klassischen Verschwörungsliteratur fokussierten auf französische und deutsche Illuminaten-Logen, Katholiken bzw. Jesuiten und Anhänger der alten Stewart-Könige Britanniens. Später rückte dann die Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung in den Mittelpunkt. Die zumeist aus dem angloamerikanischen Raum stammenden Texte wurden in deutschen Übersetzungen äußerst populär in der völkischen Szene und schließlich bei der NSDAP, was nicht nur den Holocaust befeuerte, sondern auch die wichtigsten strategischen Entscheidungen des Dritten Reichs beeinflusste. Denn die Verschwörungsliteratur hatte gezielt den Eindruck erweckt, es gäbe höchst einflussreiche Nazi-Sympathisanten in Amerika und Britannien, die ein Bündnis anstreben würden. Hier merkt man die Macht, die Geheimdienst-Operationen entfalten können. Mit einer überschaubaren Reihe an schlechten Büchern und billigen Pamphleten gelang es, das Dritte Reich so stark zu beeinflussen, dass es verheerende strategische und nachrichtendienstliche Entscheidungen traf. Die Naziführung glaubte, mächtige Sympathisanten in den USA und Britannien zu besitzen und so ließ Hitler die eingekesselte britische Armee bei Dunkirk entkommen und schickte drei Millionen Soldaten in die vermeintlich jüdisch-bolschewistische Sowjetunion. Die Nazis ließen sich vom Welfen-Adel infiltrieren, weil man den Adel für überzeugte Antisemiten hielt, die sich rächen wollten an der jüdischen Weltverschwörung, weil einst Familien wie die Rothschilds den britischen Welfen-Adel entmachtet hätten. Im Kern handelte es sich nur um gewöhnliche Standard-Techniken der Desinformation, aber die Kampagne war ungewöhnlich umfangreich; die Vorläufer hatten bereits in den 1790er Jahren begonnen, die Inhalte wurden in den 1800er Jahren maßgeschneidert auf das deutsche und österreichische Zielpublikum, und das Unterfangen wurde schließlich ab dem Jahr 1900 massiv intensiviert.